HomeGewalt, Hooligans und Rechtsradikalismus: „rowdyhafte“ Jugendliche im DDR-Fußball

Gewalt, Hooligans und Rechtsradikalismus: „rowdyhafte“ Jugendliche im DDR-Fußball

Disziplinierte „allseitig gebildete sozialistische Persönlichkeiten“ sind das Erziehungsziel der kommunistischen Diktatur in der DDR. Umso irritierender wirkt es auf die SED-Führung, dass jugendliche Fußballzuschauer ab den 1970er Jahren bei Fußballspielen vermehrt gewaltbereit sind: Zu den Vorfällen zählen Angriffe auf Passanten, Kämpfe unter den Fangruppen und Vandalismus in Zügen, Bahnhöfen und Gaststätten. Vor allem die Derbys in Ost-Berlin und Leipzig sind berüchtigt. Auch Fangruppen anderer DDR-Fußballclubs sind für ihre Brutalität bekannt. Die DDR-Sicherheitskräfte schaffen es trotz enormen Aufwandes nicht, die Eskalation der Gewalt zu unterbinden. Die Randalierer werden zusammen mit anderen Stadionsubkulturen als „rowdyhafte und negativ-dekadente“ Jugendliche beobachtet und mit geheimpolizeilichen Methoden „bearbeitet“. 
Gegen Ende der 1970er Jahre treten verstärkt rechtsextreme Vorkommnisse im Fanmilieu auf. Rechte Skinheadsubkulturen und Hooligans machen sich den Fußball zu eigen und suchen, mit Gewalt und rechtsradikalen sowie antisemitischen Parolen das Selbstverständnis der „antifaschistischen“ DDR zu erschüttern. Die DDR spielt die Aktivitäten als unpolitisches „Rowdytum“ herunter. Da Gewalt und Rechtsradikalismus auch im Westen zunehmen, wird die Schuld dem Einfluss des „Klassenfeindes“ aus der Bundesrepublik zugeschrieben. Hiermit leugnet die DDR, dass sie ein hausgemachtes Problem mit rechten Schlägern hat. Allerdings existieren tatsächlich Kontakte zwischen rechtsextremen Fans in Ost und West. Vereinzelt kommt es zu strafrechtlichen Sanktionen gegen Hooligans und rechtsextreme Fußballanhänger. Auch die Abschiebung in die Bundesrepublik ist ein Mittel, um unliebsame und rechtsradikale Personen aus der Fußballfanszene loszuwerden.

Gewaltbereite Fans des BFC Dynamo durchbrechen im Frühjahr 1988 die Absperrung im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark während eines Oberligapunktspiels. (1)

Im Umfeld des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks geraten BFC-Dynamo-Anhänger und Gästefans gewaltsam aneinander. Das MfS operiert mit versteckter Kamera, um die Identität der prügelnden Fußballanhänger ermitteln zu können. Ost-Berlin, Mitte der 1980er Jahre. (2)

Nach dem Oberligapunktspiel des 1. FC Union Berlin gegen FC Hansa Rostock am 20. Juni 1973 randalieren Fußballfans in einem Zug der Berliner S-Bahn. (3)

Der Leipziger Hauptbahnhof ist an den Spieltagen der DDR-Oberliga ein Umsteigebahnhof für viele Fangruppen. Im Mai 1984 werden dort durch die Transportpolizei verschiedene gefährliche Hieb- und Schlagwaffen eingezogen. Zu ihnen gehört diese selbstgefertigte 50cm lange Gliederkette, an deren Ende eine scharfe Rasierklinge eingesetzt ist. (4)

Obwohl der BFC Dynamo und Dynamo Dresden mit dem MfS und dem Innenministerium die
gleichen Träger besitzen, sind sich die Fans beider Teams feindlich gesinnt. Im Winter 1978 eskalieren die Spannungen, als der Mannschaftsbus des BFC von Dresdner Fans mit Steinen beworfen wird. (5)

Zerstörte Sitzbänke im Stadion der Freundschaft in Frankfurt (Oder) nach dem Oberligapunktspiel zwischen dem FC Vorwärts Frankfurt/O. und dem BFC Dynamo im März 1981. (6)

Das MfS will die Identität gewaltbereiter Fußballfans ermitteln. Wie hier im Jahr 1988 bei „rowdyhaften“ Anhängern des BFC Dynamo, werden diejenigen mit Nummern markiert, die die Stasi im Visier hat. Die Volkspolizei übernimmt anschließend die Präventivarbeit. Der auffällige Jugendliche wird in der Regel polizeilich geladen, belehrt und gerügt und im Wiederholungsfall strafrechtlich verfolgt. (7)

In den Stadien der DDR-Oberliga ist der Einsatz von Pyrotechnik verboten. Nur selten dokumentieren Volkspolizei und MfS Vergehen dieser Art, wie hier das Werfen von Rauchbomben durch Fans des BFC Dynamo 1981 in Erfurt oder das Zünden von Feuerwerkskörpern von jugendlichen Fans in einem Fanblock im Jahre 1979. (8, 9)

Schäden im Reisezug der Deutschen Reichsbahn nach der Nutzung durch Fans des 1. FC Union Berlin nach einem Oberliga-Punktspiel gegen den Halleschen FC im September 1976. (10)

Zerstörte Zuschauerbänke nach dem Oberliga-Punktspiel zwischen dem BFC Dynamo und dem 1. FC Magdeburg im August 1979 im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark. (11)

Die gewaltbereite Fanszene hat das MfS gegen Ende der 1980er Jahre fest im Visier: Die mit einem Kreis versehenen einzelnen Fans werden durch die Stasi bearbeitet. Ost-Berlin, Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark, Mitte der 1980er Jahre. (12)

Während des Oberliga-Punktspiels BFC Dynamo gegen den FC Hansa Rostock wird ein Rostocker Fan im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark nach gewalttätigen Ausschreitungen von Polizisten abgeführt, ca. Mitte der 1980er Jahre. (13)

Sachbeschädigung eines S-Bahnzuges nach dem Oberliga-Punktspiel des 1. FC Union Berlin gegen den FC Hansa Rostock im Juni 1973. (14)

Eine Straßenbahn der Leipziger Verkehrsbetriebe wird im April 1988 von Fußballfans im Vorfeld des Oberliga-Punktspiels zwischen dem 1. FC Lok Leipzig und dem 1. FC Magdeburg zerstört. Mehrere Seitenscheiben gehen zu Bruch. (15)

Das MfS dokumentiert Ende der 1970er Jahre einen demolierten Reisezug der Deutschen Reichsbahn . (16)

Jugendliche Fußballfans des BFC Dynamo geraten aufgrund rechtsextremer Vorkommnisse ins Visier des MfS. Das Privatfoto der Fangruppe, deren Mitglieder den „Hitlergruß“ zeigen, gelangt über einen eingeschleusten Inoffiziellen Mitarbeiter an die Stasi. (17)

Rechte und gewaltbereite Subkulturen wie Skinheads und Hooligans werden, wie hier im Stadion An der Alten Försterei des 1. FC Union Berlin Mitte der 1980er Jahre, durch das MfS beobachtet. (18)

Rechtsradikale Anhänger und auffällige Fußballfans in Ost-Berlin stehen nicht nur im Stadion unter Beobachtung. Das MfS wertet ebenso Fernsehbilder aus, um „rowdyhafte und negativ-dekadente“ Jugendliche nach ihrem äußeren Erscheinungsbild zu identifizieren. (19, 20, 21, 22, 23)

Das MfS nimmt den BFC-Dynamo-Fanclub „Die Bösen“ wegen seiner rechtsextremen Parolen und Abzeichen Ende der 1980er Jahre ins Visier. Nach der geheimpolizeilichen Bearbeitung werden Spruchbänder sowie Waffen und Symbole der rechten Szene sichergestellt. Das MfS findet Briefe und Wegskizzen, die auf Kontakte zu einer West-Berliner Neonazi-Gruppe hindeuten. (24, 25)

Eskalation der Gewalt: Im Vorfeld des Supercupspiels zwischen dem BFC Dynamo und Dynamo Dresden in Cottbus kommt es im Sommer 1989 zu gewalttätigen Attacken von Hooligans und der rechtsradikalen Fanszene des BFC Dynamo gegen Dresdner Fans und die Volkspolizei. Die Cottbuser Polizei schreitet ein und nimmt gewaltbereite Fans fest. (26, 27)

Privataufnahme von Hooligans des FC Zürich bei einem Treffen mit dem BFC-Dynamo-Fanclub „Die Analen“ in einer Ost-Berliner Privatwohnung: Sie präsentieren sich Mitte der 1980er Jahre vermummt und mit Baseballschlägern in Kampfpose. Das MfS gelangt vermutlich durch einen Spitzel im BFC-Fanclub an die Verbrüderungsfotos mit den Schweizern. (28)

Überraschung im Fürstentum Monaco: Als am 17. Oktober 1989 der BFC Dynamo im Stade Louis II zum Europapokalspiel der Landesmeister antritt, kommen die Fernsehzuschauer in der DDR ebenso wie die Funktionäre des BFC Dynamo ins Staunen. Von den Rängen wird das Team von einer Gruppe von BFC-Fans lautstark unterstützt, obwohl DDR-Fans seit Jahren nicht ins westliche Ausland reisen dürfen. Die Fotos aus dem MfS-Archiv zeigen, dass sich der rechte BFC-Fanclub „Die Analen“ offenbar im Westen neu formiert hat. Zu den vor 1989 durch das MfS abgeschobenen Fans gesellen sich nun die kurz zuvor in den Westen Geflüchteten und präsentierten sich als neue Einheit. In Monaco zeigen sie nun offen ihre rechtsradikale Gesinnung. (29)

Die Polizei stoppt beim Supercupspiel zwischen dem BFC Dynamo und Dynamo Dresden 1989 in Cottbus den von gewaltbereiten Hooligans der rechten BFC-Szene angeführten Tross der Fans, um eine Eskalation der Gewalt zu verhindern. (30)

Das MfS nimmt Mitte der 1980er Jahre einzelne Skinheads im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark bei einem Oberliga-Punktspiel des BFC Dynamo ins Visier. (31)

Privataufnahme einer Gruppe jugendlicher Fußballfans des BFC Dynamo, ca. Mitte der 1980er Jahre. Das MfS nimmt die Fanszene des BFC Dynamo ins Visier, die durch Gewaltbereitschaft oder rechtsextreme Provokationen aufgefallen ist. Zur Beschaffung von Informationen werden IMs in die Gruppen eingeschleust. Das Auftreten der Fanszene ist jedoch heterogen. Die Grenzen zwischen linken und rechten Skinheads, Hooligans und Rechtsextremen verschwimmen. Diese Gruppe zeigt anhand von Kleidung, Haarschnitt und Schal von Manchester United, dass eine klare Zuordnung nicht möglich ist, ihre fankulturellen Vorbilder jedoch aus Großbritannien stammen. (32)

Im Stadion An der Alten Försterei werden Mitte der 1980er Jahre Anhänger des 1. FC Union durch das MfS beobachtet. Ihre äußerlichen Merkmale mit Bomberjacke und Kurzhaarschnitt deuten auf ihre Zugehörigkeit zur rechtsradikalen Szene hin. (33)

Anhänger des rechtsradikalen BFC-Fanclubs „Die Analen“ unterstützen im Herbst 1989 den BFC Dynamo beim Europapokal-Gastspiel beim AS Monaco. Die Gruppe besteht aus geflüchteten und ausgewiesenen DDR-Bürgern, die sich im Westen neu formiert hat. (34)

Das MfS bekommt Privatfotos durch IMs aus der rechten Szene des BFC Dynamo zugespielt. In der Privatwohnung liegt ein „erbeutetes“ Transparent von Anhängern der BSG Stahl Brandenburg, ca. Mitte der 1980er Jahre. (35)

Rechtsradikale Anhänger des FC Zürich und des BFC-Fanclubs „Die Analen“ feiern gemeinsam Mitte der 1980er Jahre in einer Ost-Berliner Privatwohnung. Das Foto wird dem MfS über eingeschleuste IMs zugespielt. (36)

Die „entwickelte sozialistische Persönlichkeit“

Vandalismus in der S-Bahn

Dynamo-Dresden-Fans auf
Auswärtsfahrt

Quellennachweise

1: Bundesarchiv, MfS HA IX Fo 136 Bild 16

2: Bundesarchiv, MfS BV Bln Fo 383 Bild 17

3: Bundesarchiv, MfS HA IX Fo 1572 Bild 8

4: Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, 20250 Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei Nr. 1878

5: Bundesarchiv, MfS BdZL Dyn Fo 14 Bild 23

6: Bundesarchiv, MfS BV Bln Fo 63 Bild 16

7: Bundesarchiv, MfS HA IX Fo 136 Bild 6

8/9: Bundesarchiv, MfS BV Bln Fo 63 Bild 7 und 9

10: Landesarchiv Berlin, DVP BV Berlin, C Rep. 303 Nr. 3080

11: Bundesarchiv, MfS BV Bln Fo 63 Bild 17

12: Bundesarchiv, MfS HA IX Fo 136 Bild 2

13: Bundesarchiv, MfS BV Bln Fo 905 Bild 11

14: Bundesarchiv, MfS HA IX Fo 1572 Bild 7

15: Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, 20250 Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei, Nr. 1814

16: Bundesarchiv, MfS BV Bln Fo 63 Bild 15

17: Bundesarchiv, MfS HA XX Fo 855 Bild 5

18: Bundesarchiv, MfS BV Bln Fo 837 Bild 8

19/20/21/22/23: Bundesarchiv, MfS HA XX 1199 Bilder 46, 48, 53, 56, 65

24/25: Bundesarchiv, MfS HA IX Fo 139 Bild 1, Bundesarchiv, MfS HA IX Fo 136 Bild 14

26/27: Bundesarchiv, MfS BV Bln Fo 75 Bild 25 + 57

28: Bundesarchiv, MfS HA XX Fo 890 Bild 7

29: Bundesarchiv, MfS HA XX 839 Bild 4

30: Bundesarchiv, MfS BV Bln Fo 75 Bild 46

31: Bundesarchiv, MfS BV Bln Fo 847 Bild 1

32: Bundesarchiv, MfS HA XX Fo 855 Bild 20

33: Bundesarchiv, MfS BV Bln Fo 906 Bild 1

34: Bundesarchiv, MfS HA XX Fo 839 Bild 8

35: Bundesarchiv, MfS HA XX Fo 889 Bild 16

36: Bundesarchiv, MfS HA XX 890 Bild 6